Tausend Tattoos auf der Haut..

..wenn man wie alle anderen sein will und dabei seine Andersartigkeit entdeckt

Als ich ein Kind war hatte ich immer das Gefühl anders zu sein und wie ich in einem anderen Artikel schrieb, wünschte ich mir nichts sehnlicher, als normal zu sein. Mitten in der Pubertät hatte ich die Chance, als man mir sagte, man könne meine Wirbelsäulenverkrümmung operativ behandeln. Für mich stellte sich nie die Frage nach einem „ob“, sondern nur nach einem „wann“. Ich blendete alle Risiken aus und wollte einfach genauso leben, wie alle anderen auch – ohne Physiotherapie, ohne Übungen und vor allem ohne dieses hässliche Stützkorsett. Die Operation verlief gut und obwohl damals eine 50:50 „Chance“ auf eine Querschnittslähmung bestand, konnte ich Tags drauf meine Füße problemlos bewegen. Wenige Tage später stand ich wieder auf und versuchte alles, um mobil zu werden. Schnell gewöhnte ich mich daran, dass mein gefühltes „schief“ eigentlich mein neues „normal“ ist und nur die endlos erscheinende Narbe erinnerte noch an meine Andersartigkeit. Schon kurz nach der Operation entschied ich, dass ich sie irgendwann tätowieren lasse um auch die letzten Erinnerungen unsichtbar zu machen. Kurz nach der Volljährigkeit suchte ich ein entsprechendes Etablissement auf, aber ich bekam zu hören, was ich nicht hören wollte. Damals tätowierte man nicht auf Narben – zu unerforscht, zu unberechenbar, zu kompliziert. Schweren Herzens fand ich mich damit ab und ließ mir ein Tattoo auf dem Schulterblatt stechen, um wenigstens davon abzulenken. Doch das Tattoo stand nicht nur dafür. In der Lebensphase, in der ich mich befand, stand es für noch so viel mehr – für Freiheit, für Stärke, für mich. Als der Nachwuchs kam, hegte ich den Wunsch auch das zu verewigen. Natürlich nicht mit Name und Geburtsdatum, denn das hatten alle und wenn ich nicht mehr weiß, wie mein Kind heißt, hab ich wohl größere Probleme. Was ich aber mit dem Nachwuchs verband war die Liebe zum Nachthimmel und so lag es nahe, dass sein Sternenbild nun meinen Arm ziert. Später folgtem ihm die Planeten unseres Sonnensystems und das Sternenbild meines geliebten Opas, der in meinen Augen viel zu früh gegangen ist. Seine Werte trag ich weiter, ebenso, wie die Erinnerung an ihn und ich habe das Gefühl diese geliebten Mensch durch meine Hautbilder noch näher bei mir zu haben. Auch wenn Tattoos inzwischen sehr gesellschaftsfähig sind, so kenne ich wenige, die ihre Haut auf die selbe Weise haben bemalen lassen, wie ich. Am Ende führte es mich dahin, doch anders zu sein als alle anderen. War der Wunsch danach in der Masse zu schwimmen damals so groß, bin ich heute sehr stolz darauf, aus der Masse herauszustechen. Wenn alle Menschen gleich wären, würde im Prinzip ja einer genügen…

Alexandre P. Junior von Pexels

Du selbst zu sein, in einer Welt, die dich ständig anders haben will, ist die größte Errungenschaft..

Ralph Waldo Emerson

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